Ihren größten Hits hatte die sechsköpfige Band aus Manchester mit Songs wie “Sit Down” und “Come Home” Anfang der 90er zur Zeit der englischen Indie/Dance- Rave-O-Lution.
?: Drei Jahre lang habt ihr keine Konzerte mehr gegeben und auch was Plattenveröffentlichungen anbelangt, war es in den letzten Jahren still um James. Was war los?
Tim Booth: Es war einfach mal an der Zeit, eine Pause zu machen. James gibt es nun schon seit 13 Jahren, und nie hatten wir wirklich Zeit für andere Dinge als die Musik. Es ging immer nur darum, ein neues Album aufzunehmen und damit dann auf Tour zu gehen, und irgendwann wirst du einfach müde von dieser Routine. Das ist ja zum Beispiel auch der Grund, warum eine Band wie R.E.M. nicht mehr nach jeder Plattenveröffentlichung eine Tournee unternimmt. In der Zwischenzeit haben wir alle eigene Sachen verfolgt. Manche sind umgezogen, dann ist Larry Gott, eines der Gründungsmitglieder von James, aus der Band ausgestiegen, was ein schwerer Schock für uns war, und ich habe mit Angelo Badalamenti zusammengearbeitet. Wir haben uns einfach neu orientiert.
?: War die übrige Band denn neidisch wegen deiner Zusammenarbeit mit Angelo Badalamenti?
Tim Booth: Da mußt du sie schon selber fragen.
Jim Glennie: Vielleicht hätte so etwas wie Neid aufkommen können, weil Angelo Badalamenti wirklich ein großartiger Komponist ist, den wir alle sehr schätzen. Aber als es darum ging, die Platte, die Tim mit Badalamenti aufgenommen hat, live vorzustellen, hat er uns gebeten, mitzumachen. Dafür waren wir ihm sehr dankbar, und es war ein phantastisches Erlebnis.
?: Hattet ihr bei der neuen Platte Angst, daß die Leute nicht länger an James interessiert sein könnten?
Tim Booth: Wir waren jetzt eine Weile von der Bildfläche verschwunden, und die Geschmäcker der Menschen ändern sich. Insofern gibt es natürlich schon die Möglichkeit, daß sich niemand mehr für uns interessiert. Aber ich glaube auch, daß es durch Oasis in den letzen Jahren zu einem Comeback der auf Gitarren basierten Musik gekommen ist. Nimm zum Beispiel Bands wie Suede oder die Manic Street Preachers, die waren im letzen Jahr so erfolgreich wie nie zuvor. Außerdem sind die Reaktionen auf unsere neuen Songs soweit sehr gut. Uns wird mehr Respekt gezollt als ich gedacht hätte. Es läuft also alles sehr positiv.
?: Was war denn der Höhepunkt eurer Karriere?
Tim Booth: In England war das mit Sicherheit unser Open-Air-Konzert in Alton Towers, zu dem über 30.000 Leute kamen. Für eine Indie-Gruppe war das damals ohne Vorbild. An dem Abend haben wir allein 22.000 T-Shirts verkauft, und die waren schon am späten Nachmittag weg. Bemerkenswerterweise gingen mit unserem 93er Album “Laid” die Plattenverkäufe in England ja zurück, während unsere Karriere in den USA erst richtig losging. Mittlerweile hat sich “Laid” dort 750.000 mal verkauft und 1994 sind wir ja auch bei dem Woodstock-Festival aufgetreten.
?: Muß man für den Erfolg in Amerika Kompromisse eingehen?
Tim Booth: Die Unterschiede zwischen dem Musikbusiness in Amerika und England sind schon riesig groß. In den USA mußt du halt eine Menge Hände schütteln von Leuten, die du gar nicht kennst, nur damit dein Song im Radio gespielt wird. Und als wir das letzte Mal in der David Letterman-Show aufgetreten sind, wollten wir – wie auf dem Cover von “Laid” – eigentlich Frauenkleider tragen, aber das wurde uns verboten mit dem Hinweis, die Zuschauer im “Bible Belt” würden das nicht tolerieren. Das ist albern, aber du mußt halt wissen, bis zu welchem Punkt du das Spiel mitspielen willst, um Erfolg zu haben.
?: In gewisser Weise klingen einige der Songs auf eurem neuen Album “Whiplash” so, wie man es vom neuen U2 -Album erwartet hätte.
Tim Booth: Ich habe das U2-Album noch nicht gehört, aber sicher spielst du auf die Drum `n’ Bass- und Elektro-Elemente in Songs wie “Greenpeace” an. Ganz neu ist diese Entwicklung für uns allerdings nicht. Viele der Sachen hatten wir schon auf unserem experimentelleren Album “Wah Wah”, das ja von Brian Eno produziert wurde, ausprobiert. Überhaupt haben wir Brian Eno diesbezüglich viel zu verdanken. Er stand uns auch bei “Whiplash” wieder zur Seite. Es war uns aber auch wichtig, daß die Songs, unabhängig von der Instrumentierung, immer noch James-Songs blieben. Wir wollten nicht einfach auf irgendeinen Wagen aufspringen.
?: Ihr habt schon seit Ewigkeiten keine Konzerte mehr in Deutschland gegeben. Kann man erwarten, daß ihr mit dem neuen Album hier auf Tour gehen werdet?
Tim Booth: Das Problem mit Deutschland ist, das sich hier außer einer überschaubaren Fangemeinde nicht allzuviele Leute für unsere Musik interessieren. Und wenn wir in Amerika mit den gleichen Anstrengungen hundertmal mehr Platten verkaufen können, gehen wir natürlich lieber dorthin. Aber wir haben schon vor, dieses Jahr auch wieder einige Konzerte in Deutschland zu spielen.