Ja klar, kennt man: Auf und ab, so geht unweigerlich das Leben. Und auch die Karrieren von Popgruppen verlaufen höchst selten gradlinig. JAMES, mit immerhin schon 14 Jahren auf dem Bandbuckel, stellen da keine Ausnahme dar, nur ist man sich bei ihnen nie so sicher, ob es nun gerade auf- oder abwärts geht. Sie waren halt schon immer etwas anders als andere Bands.
1983 unterschrieben die sechs aus Manchester bei „Factory Records“, dem damals eigentlich einzigen für Indie-Bands akzeptablen Label der Stadt. Man veröffentlichte Singles und EPs, wechselte zu „Sire“, zu „Rough Trade“ und schließlich zur „Phonogram“, ohne große Erfolge vorweisen zu können. Die sollten sich erst 1990 mit der Veröffentlichung des Albums “Gold Mother” einstellen. Plötzlich, auf dem Höhepunkt von Madchester, als die Kinder der Rave-O-Lution im Nordwesten Englands und anderswo Hosen, T-Shirts und Augen weit trugen, wurden JAMES zu den Helden einer Bewegung, mit der sie außer der Geburtsstadt nicht viel gemein zu haben glaubten. Doch ihre Hitsingles wie “Come Home” und “Lose Control” besaßen jenen damals angesagten Soul II Soul-Beat und wurden abgemischt von Flood, dem Produzenten, der auch für die wundervolle Eintagsfliege “I’m Free” der SOUP DRAGONS verantwortlich war. Für eine Zeitlang sah es tatsächlich so aus, als sei JAMES die ultimative Studentenband. Sie füllte 10.000er Hallen, als so was für Indie-Bands noch ohne Vorbild war, und wer Anfang der 90er einen Trip nach England machte, mußte unweigerlich auf eines ihrer Blumen-T-Shirts stoßen, von denen die Gruppe insgesamt mehr als eine Viertelmillion verkaufte und daran mehr Geld als mit Schallplatten verdiente. Drei Jahre, zwei Albumveröffentlichungen (“Seven” und “Laid”) und einen riesigen Open-air-Auftritt im Vergnügungspark Alton Towers später ging es mit JAMES in ihrem Heimatland bereits wieder bergab – sicher, ihre Platten verkauften sich noch immer stattlich, die Euphorie des Sommers von 1990 aber war verflogen, und ihre Songs wurden ruhiger -, doch genau zu dem Zeitpunkt begann man in den USA, erstmals von dem Sextett Notiz zu nehmen. Beim schrecklichen Woodstock II durften Tim Booth und Co. zwischen LIVE und den CRANBERRIES auftreten, und die softe LP “Laid” avancierte zum Dreiviertelmillionen-Seller. Die Band mußte, wie in den USA so üblich, Kompromisse eingehen: Viele Hände wollten geschüttelt werden, ein Auftritt in David Lettermans Late Night Show war sogar verbunden mit der Forderung, die Frauenkleider auszuziehen.
In Deutschland hingegen interessierte sich bis auf eine kleine Britpop-Gemeinde niemand für die Lieder von JAMES. Was die Band dazu veranlaßte, das Land bei Tourneeplänen meist zu ignorieren. “Nicht, daß wir etwas gegen Deutschland hätten”, so Sänger Tim Booth, “wenn wir aber in den USA mit der gleichen Anstrengung 100mal mehr Platten verkaufen können, richten wir unser Augenmerk doch lieber auf dieses Land.”
In den letzten Jahren nahmen JAMES erstmals in ihrer Karriere eine Auszeit: Bassist Larry Gott verließ die Gruppe, Steuerschulden mußten bezahlt werden, einige der Bandmitglieder zogen um, andere suchten sich neue Freundinnen …. Tim Booth nahm derweil eine Platte mit seinem Idol ANGELO BADALAMENTI auf, die im letzten Jahr floppte, weil die Plattenfirma sich weigerte, eine Single zu veröffentlichen – um den Erfolg von JAMES nicht zu gefährden. “Das hört sich bekloppt an und ist es sicher auch”, gesteht Booth, “aber die Plattenfirma war von meiner Kollaboration mit BADALAMENTI sehr irritiert. Jetzt, wo das neue JAMES-Album erscheint, wollen sie es auf einmal promoten.”
“Whiplash”, das inzwischen veröffentlichte achte Album, dürfte über die weitere Karriere entscheiden. Erste Anzeichen lassen Positives hoffen: Die Single “She’s A Star” erreichte die englischen Top 10, und für Lettermans Talkshow wurde die Band auch wieder gebucht. Verdient hätte die Platte den Erfolg. Songs wie “Greenpeace”, “Go To The Bank” und “Play Dead” klingen so, wie man sich U2s “Pop” gewünscht hätte. Zuckelnde Breakbeats, harte Gitarren und Elektro-Bleeps wirken angenehm zeitgemäß, ohne typische JAMES-Charakteristika zu zerstören, und nehmen den Faden des ‘94 unter der Führung BRIAN ENOs entstandenen Experimentalwerks “Wah Wah” wieder auf. Zusammengehalten wird alles von Booths prägnantem Gesang. Die Lieder entbehren nicht einer gehörigen Portion Melancholie und Sehnsucht, und dennoch läßt sich fröhlich das Tanzbein zu ihnen schwingen.
JAMES selbst sind noch unsicher bezüglich des Erfolgs: “Das Gute an dem Durchbruch von OASIS – wie auch immer man sonst zu der Band stehen mag – ist, daß sie Gitarrenmusik in England wieder erfolgreich gemacht haben. Nicht zuletzt durch ihren Erfolg verkaufen Gruppen wie die MANIC STREET PREACHERS oder SUEDE heute mehr Platten als je zuvor. Ob dieser Trend auch eine Auswirkung auf uns haben wird, weiß ich nicht. Bisher wird uns aber mehr Respekt entgegengebracht, als ich erwartet hätte.” An Deutschland wird Booth bei dieser Aussage bestimmt nicht gedacht haben. Mit aller Wahrscheinlichkeit dürfte das hiesige Publikum auch “Whiplash” ignorieren. Schade eigentlich.